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Portrait eines Mannes

Diversität in den Stadtparlamenten

Mehmet Ildeş

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Initiative "Local Diversity"

Mehmet Ildeş engagiert sich im Stuttgarter Jugendrat, seitdem er 14 ist. Während fast die Hälfte der Stuttgarter Stadtbevölkerung Migrationsgeschichte hat, sitzen im Gemeinderat nur etwa 15 Prozent Menschen aus Einwandererfamilien. Ein Ungleichgewicht, das der 21-Jährige mit dem selbst gegründeten Verein Local Diversity bekämpfen will. Mehmet möchte Menschen mit Migrationsgeschichte fördern, um möglichst viele Listenplätze zu besetzen und selbst für den Gemeinderat zu kandidieren.

Wer bist du und was machst du bei JoinPolitics?

Mein Name ist Mehmet Ildeş und ich bin 21 Jahre alt. Zurzeit studiere ich Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hohenheim bei Stuttgart. Schon mit 14 habe ich mich im Stuttgarter Jugendrat engagiert und mittlerweile bin ich Vorsitzender der Jugendgemeinderäte Baden-Württembergs. Mein Ziel ist es, im Mai 2024 mit der Grünen Jugend in den Stuttgarter Gemeinderat gewählt zu werden. Mit JoinPolitics will ich den überparteiliche Verein Local Diversity gründen, um junge Menschen mit Migrationsgeschichte zu unterstützen, sich politisch zu engagieren. Konkret heißt das zu versuchen, Mitstreiter*innen in demokratischen Parteien zu finden, damit möglichst viele Menschen mit Migrationsgeschichte auf die Listen für die Kommunalwahl 2024 gesetzt werden.

Was hat dich politisiert?

Ich wurde als Kind von zwei geflüchteten Eltern in Stuttgart geboren. Mein Vater war Fabrikarbeiter, meine Mutter Hausfrau und unsere Situation war in Ordnung. Als ich elf Jahre alt war, ist mein Vater plötzlich gestorben. Von einem auf den anderen Moment waren ich und mein Bruder Halbwaisen und wohnten im Sozialbau. Wir konnten uns durch Arbeitslosengeld über Wasser halten, aber es war im Grunde immer zu wenig. Wenn ich meine Mutter gefragt habe, warum in unserem Leben alles falsch läuft, hat sie geantwortet, dass wir nicht so wie “die” seien und wir an unserer Situation nichts verändern können.

Die Denkweise meiner Mutter hat mich tief geprägt und hat gleichzeitig Widerstände in mir ausgelöst. Ich wollte das nicht akzeptieren und habe die Ungerechtigkeiten immer mehr wahrgenommen, die marginalisierten Gruppen in Deutschland entgegenschlägt. Im Politikunterricht wurden dann Themen angesprochen, die mich auch in meinem alltäglichen Leben genervt haben. Meinem Lehrer fiel das auf und mich gefragt, ob ich mich beim Jugendrat Stuttgart bewerben will. Diese Chance hat bei mir ganz viel Antrieb ausgelöst. Ich wollte zeigen, dass auch Leute für Politik brennen können, die keinen akademischen, weißen Hintergrund haben. Seit sieben Jahren brenne ich jetzt schon in verschiedenen Ämtern für politische Teilhabe und ich habe unglaublich viel gelernt. Geblieben ist meine Motivation: Ich will Verantwortung übernehmen, indem ich Menschen, die wie ich von Armut betroffen sind und Migrationsgeschichte haben, in der Politik eine Stimme gebe.

Wofür brennst du?

Etwa 15 Prozent der Menschen im Stuttgarter Gemeinderat haben Migrationsgeschichte. Gleichzeitig liegt dieser Anteil in der gesamten Stuttgarter Gesellschaft bei 44 Prozent. Ich sehe es als Aufgabe der Politik an, die Bürger*innen zu repräsentieren, für die sie Politik machen. Das ist in Bezug auf Migrationsgeschichte nicht der Fall. So werden die Probleme dieser betroffenen Menschen nicht gesehen. Das will ich mit der kommenden Gemeinderatswahl 2024 ändern. Mit dem selbst gegründeten Verein Local Diversity soll die Kommunalpolitik in Stuttgart vielfältiger werden. Mein Ziel ist es, dass bei der Wahl viele Menschen mit Migrationsgeschichte auf die Listen kommen und dann hoffentlich gewählt werden. Ich will zeigen, wieso die Teilhabe von Menschen mit vielfältigen Geschichten und Lebensrealitäten die Politik besser macht. Deshalb konzipieren wir Workshops und führen sie in aufgeschlossenen Parteien und Gemeinderäten durch.

Auf der anderen Seite wollen wir in Schulklassen gehen. Die Statistiken zeigen leider ganz deutlich: Menschen mit Migrationsgeschichte haben mehrheitlich einen kürzeren Bildungsweg als die Mehrheitsgesellschaft und besuchen seltener Gymnasien. So bleibt ihnen zum Beispiel weniger Zeit, sich zu politisieren. Wenn im Unterricht über Politik gesprochen wird, dann über Bundes- und Landespolitik. Es gibt wenig niedrigschwellige Angebote von Projekten und Initiativen, die über politische Beteiligungsmöglichkeiten informieren. Diese Lücke will ich schließen und vor allem Menschen, die nicht auf dem Gymnasium sind, kommunale Politik näherbringen.

Wo siehst du dich in fünf Jahren auf deinem politischen Weg?

Dann bin ich hoffentlich immer noch im Gemeinderat aktiv, wenn ich nächstes Jahr gewählt werde. Viel wichtiger ist mir aber, dass ich mich in fünf Jahren nach wie vor für mein Herzensthema der Vielfalt einsetze. Darüber hinaus wünsche ich mir für meine Zukunft bei den Grünen, dass ich mir einen Namen gemacht habe. Meine Kolleg*innen sollen wissen, dass sie immer auf mich zukommen können. In meiner Kommune werde ich in fünf Jahren zusammen mit vielen anderen jungen Menschen mit Migrationsgeschichte zeigen, dass wir sehr viel zu sagen haben und dass es auch unsere Politik und unsere Stadt ist.

Was hast du aus Herausforderungen in der Vergangenheit gelernt?

Manchmal habe ich Angst davor, die Motivation zu verlieren, weil ich immer wieder auf so viele Barrieren stoße. Als von Armut betroffener Student ist es manchmal sehr schwierig. Manchmal frage ich mich, wie ich das alles hinbekommen soll. Diese Momente demotivieren und frustrieren mich. Was dagegen hilft, sind die vielen Menschen, die an mich glauben und mir das Gefühl geben, etwas zu verändern.

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